Der heutige Hof Lammers befand sich von 1920 bis 1935 im Besitz der "Provinzial-Verwaltung", deren Hauptsitz (Landesdirektorium) in Hannover lag. Seit 1901 unterhielt die Provinzial auch eine "Landes-Heil- und Pflegeanstalt" in Lüneburg. Infolge von Platzmangel / Überbelegung wurden im September 1926 Geisteskranke von Lüneburg nach Trauen verlegt und "auf dem hiesigen Provinzialgute" untergebracht. Zwei "Irrenpfleger" waren in Trauen wohnhaft: Erich Jacobi und Richard Draeger.
aus der Trauener Chronik:
"10.09.1926: Es sind 15 bis 20 Geisteskranke (Männer und Frauen) aus der Provinzialheil- und Pflegeanstalt zu Lüneburg nach hier gekommen. Das mit Stroh gedeckte Haus des hiesigen Provinzialgutes, dessen einer Flügel so lange von dem Gutsrechnungsführer Franke bewohnt war, ist gänzlich umgebaut und enthält jetzt außer einer Wohnung für den aus Lüneburg kommenden Pfleger Köhn, große Räume für die Kranken."
"26.10.1931: Eisenbahnunglück!
Heute morgen warf sich der auf dem hiesigen Provinzialgute befindliche Geisteskranke G. aus Schlesien vor den ersten Zug der Kleinbahn, der morgens um 7 ½ Uhr von Munster kommt. Der Mann war stillschweigend vom Gute gewichen und hatte sich bis zum Eingang der Oerreler Forst begeben, wo er den Oberkörper vollständig entblößte und auf den Zug wartete. Als sich der Zug ihm bis auf wenige Meter genähert hatte, warf er sich vor die Lokomotive, wurde jedoch von dem Schienenräumer zur Seite geschleudert.
Beide Schultern brachen, ebenso der Unterkiefer. Außerdem erhielt der Mann noch eine Reihe mehr oder weniger schwere Verletzungen an Kopf, Brust und Armen, sodaß er bewusstlos liegen blieb. Die Bahnbeamten nahmen an, dass er tot sei und betteten ihn in die Mitte des Bahnkörpers, um schnell den Gemeindevorsteher Herrs zu benachrichtigen. Der Mann wurde schnell geholt und erhielt die Besinnung zurück. Als Grund für diese Tat gab er an, dass er "lieber sterben als hier noch länger schuften" wolle. Am Nachmittag wurde er mit dem Krankenwagen nach Lüneburg geholt."
Stellvertreter des Direktors der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg war zu dieser Zeit Dr. Max Bräuner, dessen Lebenslauf hier ebenfalls dargestellt werden soll: (Quelle: Bildungs- und Gedenkstätte "Opfer der NS-Psychatrie" in Lüneburg)
Max Bräuner wurde in Karlsruhe geboren. Aufgewachsen ist er in Göttingen, wo er auch das Gymnasium besuchte. Sein Vater war dort Post-Direktor. Nach seinem Studium erhielt Bräuner 1908 seine Approbation. Er leistete sein Medizinal-Praktikum in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Göttingen ab. 1909 bekam Dr. Bräuner eine Assistenzarztstelle in Lüneburg. Hier wurde er im April 1911 zum Abteilungsarzt befördert und war im ersten Weltkrieg als Militärarzt im Felde eingesetzt. 1921 wurde er zum Oberarzt befördert und im April 1927 zum Stellvertreter des Direktors der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ernannt. (Anm.: In diese Zeit hinein, nämlich am 10.09.1026, erfolgt die Verlegung der Geisteskranken von Lüneburg nach Trauen.)
Am 01. Januar 1935 erfolgte die Ernennung zum Obermedizinalrat und zum Direktor in Lüneburg. 1939 wurde Dr. Bräuner schließlich Mitglied einer Kommission zur Prüfung des Pfleger- und Oberpflegerpersonals. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges war er vom Heeresdienst nur kurz betroffen, da er "UK" (unabkömmlich) gestellt wurde. Am 24. August 1945 wurde Dr. Bräuner von seinem Amt als Anstaltsdirektor entlassen und 1949 in den Ruhestand versetzt.
In der Reihe der Direktoren stellt Dr. Bräuner eine Besonderheit dar, da er mitverantwortlich für NS-Verbrechen in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gemacht werden konnte. Er war schon vor seiner Direktorenzeit seit dem 01.Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Auch war er Mitglied in anderen NS-Organisationen und von 1938 bis 1944 Kreisbeauftragter für das "Rassenpolitische Amt" der NSDAP in Lüneburg. 1941 war Dr. Bräuner aktiv an der Einrichtung der so genannten "Kinderfachabteilung" in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg beteiligt. Zusammen mit dem Leiter der Kinderfachabteilung, SS-Arzt Dr. Willi Baumert, führte er verantwortlich die "Kinder-Aktion" durch, bei der zahlreiche geistig und körperlich behinderte Kinder mit Luminal und Morphium getötet wurden. Auch war Bräuner als Direktor 1941 mitverantwortlich für so genannte "planwirtschaftliche Verlegungen" in Tötungsanstalten.
Mit den NS-Verbrechen in der Anstalt in Lüneburg beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft Hannover nach dem zweiten Weltkrieg bis 1949 und die Staatsanwaltschaft Lüneburg bis Mitte der 60er Jahre. 1949 wurde das Verfahren wegen "Euthanasie-Maßnahmen im Rahmen planwirtschaftlicher Verlegungen in der Provinz Hannover" gegen Dr. Bräuner u.a. von der Oberstaatsanwaltschaft Hannover eingestellt. Mitte der 60er Jahre hat Dr. Bräuner schließlich bei Vernehmungen mit zwei weiteren Beschuldigten die Tötungen von Kindern in der "Kinderfachabteilung" zugegeben.
Im Frühjahr 1966 folgte ein Beschluß des Landgerichts in Lüneburg, der Dr. Bräuner außer Verfolgung setzte, da er als dauernd verhandlungsunfähig galt. Im gleichen Jahr, am 09.12.1966, starb er in Lüneburg.